Horizont 36-37/2023
14 Update
HORIZONT № 36-37
Dieser Trend geht gegen alles, wofür Influencer:innen stehen: Deinfluencing. Was dahinter steckt und was Marken daraus lernen können. Der Aufstand gegen den Einfluss
Community in Entwicklungsprozesse einzubeziehen, regelmäßig Feedback einzuholen und einen echten Dialog zu führen. Dies fördere nicht nur das Vertrauen, sondern auch die Loyalität. Der partizipative Ansatz versetze Un ternehmen nämlich in die Lage, Pro dukte und Dienstleistungen zu schaf fen, die wirklich den Erwartungen der Verbraucher:innen entsprechen, die Community diese somit „aktiv befür wortet und schließlich organisch wei terempfiehlt.“ ‚Menschlicher Touch‘ Ein Aspekt der in dieser Diskussion nicht zu kurz kommen sollte, ist die Integration des sogenannten User Generated-Content (UGC). „Dieser hat sich zu einem entscheidenden Bestandteil moderner Marketingstra tegien entwickelt, da er oft authenti scher und direkter wahrgenommen wird als klassische Werbeinhalte“, er läutert Gundacker und ergänzt, „er wird von User:innen nicht gleich als Markenkommunikation entlarvt, was zu einer höheren Akzeptanz führen kann.“ Die Relevanz dieses Contents hat so auch zur Entstehung einer neu en Sparte von Kreator:innen beigetra gen: Den sogenannten UGC Creators. Diese sind darauf spezialisiert, Con tent für Marken zu erstellen, der echt und ungeschönt wirkt. „Der entschei dende Unterschied zu traditionellen Influencer:innen besteht darin, dass UGC Creators nicht notwendigerweise über massive Follower:innen-Zahlen verfügen müssen, sondern ihr Wert in ihrer Fähigkeit liegt, authentischen und resonanten Content zu produzie ren“, erklärt Gundacker. Der UGC-An satz ermögliche es Brands, den „menschlichen Touch“ in ihre Kom munikation zu integrieren, selbst wenn der Content monetär vergütet wird. „Das Endresultat sind Werbebot schaften, die sich weniger wie Wer bung und mehr wie echte, glaubwür dige Empfehlungen anfühlen.“ Hier betont die Digital-Expertin auch, dass User-Generated-Content nicht nur in den sozialen Medien funktioniere. So lange der Content die Kernwerte der Marke widerspiegle und auf die spezi fischen Bedürfnisse und Erwartungen der Zielgruppe eingeht, könne er zu dem in fast jeder Branche funktionie ren. Es gehe letztlich darum, echte Geschichten und Erfahrungen zu tei len, die für die Verbraucher:innen von Wert sind. Mit Blick in die Zukunft meint Gundacker abschließend: „Deinfluen cing ist wahrscheinlich keine vorüber gehende Modeerscheinung, sondern ein Zeichen dafür, wie sich das Verbraucher:innenverhalten ändert. Es zeigt, dass Verbraucher:innen mehr Kontrolle über ihre Kaufentscheidun gen haben wollen und Marken und Influencer auffordern, ehrlicher und transparenter zu sein.“ •
der Komplexität oder Kosten. Stattdes sen erfordert er eine Umdenkbewe gung und oft zusätzliche Investitionen in andere Bereiche, um den entstan denen Leerlauf zu füllen und die ge wünschten Marketingziele zu errei chen“, fasst Gundacker zusammen. Zudem fördere Deinfluencing die offene und ehrliche Kommunikation mit den Kund:innen. „Marken müs sen lernen, zuzuhören und zu reagie ren, selbst wenn die Rückmeldungen nicht immer positiv sind. Dies zeigt, dass sie die Interessen ihrer Kund:innen wirklich im Blick haben und nicht nur auf den Absatz aus sind“, fügt die Expertin hinzu. Obwohl Deinfluencing die Authentizität und Glaubwürdigkeit einer Marke also er höhen kann, gehen damit aber auch potenzielle Risiken oder Nachteile für einher. „Es ist eine große Herausfor derung, Produktkommunikation in einem sensiblen Environment zu be treiben. Es besteht daher ein hoher Anspruch an das Finden der richtigen Aufhänger, Tonality und Herange hensweise für die Kommunikation“, führt Gundacker aus. Zudem bestehe die Gefahr von Shitstorms bzw. nega tivem User:innenfeedback, das im Community Management aufgegrif fen und beantwortet werden muss. Wie können sich Marken nun eine engagierte Community aufbauen, die ihre Botschaften organisch verbreitet, ohne ausschließlich auf externe Influencer:innen angewiesen zu sein? „Unternehmen sollten ihre Kund:innen als Partner und nicht nur als Konsument:innen betrachten und darauf abzielen, Kommunikation auf Augenhöhe zu betreiben. Insbesonde re für ‚Love Brands‘, die oftmals im FMCG-Bereich angesiedelt sind, ist eine Positionierung als ‚Freund:in‘ er strebenswert“, entgegnet die Digital Strategin. Zudem rät Gundacker, die
Bericht von Denise Samer D as Phänomen ist in den sozialen Netzwerken, ins besondere bei TikTok, zuletzt immer häufiger zu sehen. Influencer:innen versuchen, die eigene Community aktiv vom Kauf eines bestimmten Produktes abzuhal ten – weil sie der Meinung sind, dass es unnötig sei oder seinem Preis nicht gerecht werde. Die sogenannten „Defluencer:innen“ wollen dazu an regen, sich mehr mit dem eigenen Konsumverhalten auseinanderzuset zen und bewusster einzukaufen. Zum neuen Social-Media-Trend gibt es bereits erste Studien: Über die Hälfte der deutschen Content Creator (54 Prozent) haben bereits Deinfluencing betrieben oder würden dies in Zukunft tun. Gleichzeitig weiß die Mehrheit der Verbraucher:innen (67 Prozent) in Deutschland nicht, was Deinfluencing ist. Dies zeigen die Ergebnisse einer aktuellen Umfrage von Bazaarvoice unter weltweit mehr als 9.000 Konsument:innen. Der Ursprung „Deinfluencing ist durch eine Kombi nation aus übermäßiger Werbung, Konsum, einem Bedürfnis nach Au thentizität und einer erhöhten Preis sensibilität entstanden“, so Julia Gundacker, Digital Strategist bei kju digital solutions, über die Entwick lung des Phänomens. „Viele Influen cer haben zahlreiche, recht unter schiedliche Kooperationen, was ihre Glaubwürdigkeit auf lange Sicht gese hen schmälert. Parallel dazu wächst die Skepsis gegenüber Influencer Marketing, das oft als oberflächlich und manipulativ gesehen wird.“ Als weitere Ursache nennt die Expertin den zunehmend steigenden „Mental Load“, der erzeugt wird, wenn User:innen stets up-to-date sein möchten, sei es in Bezug auf die neu esten Hype-Produkte oder sogenann te „Aesthetics“ – also bestimme Er scheinungsformen und Looks – die nachgemacht werden sollen. „Dein fluencing schafft hier Abhilfe, be wussterer, reduzierterer Konsum von Vorbildern schafft Orientierung für User:innen, den eigenen Mental Load zu reduzieren“, so Gundacker. Zudem begünstige das wachsende Umwelt
Julia Gundacker ist als Digital Strategist bei [kju:] digital solutions tätig. © kju
tent Creators verzichten? „Wenn Un ternehmen sich dazu entscheiden, Influencer-Marketing vollständig aus ihrer Strategie zu streichen, stehen sie unweigerlich vor diversen Herausfor derungen“, entgegnet Gundacker. Un ter anderem nennt sie hier den poten ziellen Verlust von Aktualität und der persönlichen Note in der Kommunika tion. „Insgesamt betrachtet, bedeutet der Verzicht auf Influencer-Marketing nicht zwangsläufig eine Reduzierung
bewusstsein der GenZ und das gene relle Bedürfnis nach Nachhaltigkeit das Trending Topic. Auf lange Sicht könne Deinfluenci ng in nahezu jeder Branche, auch im B2B-Bereich, Einzug finden, führt die Digital-Expertin weiter aus. Vorherr schend seien die Bereiche Mode, Er nährung, Wohnen und Konsumgüter. Doch auch der Tourismus wird aktu ell im Deinfluencing aufgegriffen, zum Beispiel „werden oftmals roman tisierte Reiseziele, wie Paris, von einer ungeschönten, echten Seite gezeigt, um einen der Realität entsprechen den Eindruck zu vermitteln und gleichzeitig auch den Druck für ande re, eine perfekte Paris-Reise erleben zu müssen, zu mindern“. Aus für Influencer:innen? Für Brands hat der neue Trend einen besonderen Impact – zumindest könnte dieser als Denkanstoß dienen, wie auch Julia Gundacker meint: „Marken können Deinfluencing als Möglichkeit sehen, die Vertrauenskri se im Influencer-Marketing zu über winden. Das bedeutet nicht, dass Marken ihre Produkte nicht bewer ben sollten, sondern dass sie authen tischer in ihrer Kommunikation wer den müssen. Dies erfordert ein tiefes Verständnis der Bedürfnisse der Ziel gruppe und den Mut, ehrlich zu sein – auch wenn das bedeutet, von einem Produkt abzuraten.“ Sollte man daher komplett auf Kooperationen mit Con
Deinfluencer:innen raten dazu, gehypte teure Produkte nicht zu kaufen – besonders auf TikTok findet der Trend großen Anklang. © Screenshot HORIZONT (2)
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