Horizont 36-37/2023
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HORIZONT № 36-37
Sport, Sponsoring & PR:
Der Kampf der Sportlerinnen
Die Geschichte des Frauensports
Der Profisport ist, auch medial, immer noch stark männlich dominiert. Wie sich das Bild der Frau ändert, womit der Sponsoring-,Teufelskreis‘ durchbrochen werden kann, wo Medien und Wirtschaft gefordert sind und wie Österreichs erste Sportagentur für Frauen veraltete Muster aufbrechen will.
Im 19. Jahrhundert galt sport liche Betätigung von Frauen als unsittlich. Der „leichte Bau des Skelettes“ sowie der „nach unten geöffnete Körper“ trugen zum auch von Medizi nern bestärkten Mythos des „schwachen Geschlechts“ bei. Klettern und Springen könnten die Fortpflanzungsorgane schädigen oder die Gebärmutter verschieben, hieß es. Körperli che Ertüchtigung diente beina he ausschließlich der Steigerung der männlichen Wehrfähigkeit. Doch selbst Monarchinnen hielten um 1860 nichts von den Drohgebärden: Kaiserin Sisi galt als sportsüchtig; sie focht, ritt und turnte. 1894 schließlich erhielt der Wiener Amateur Schwimmclub eine Damensektion. 1904 gründete die Wienerin Therese Hantschel den Danubia Da menschwimmclub. Nach dem ersten Weltkrieg wurde Sport zunehmend auch als öffentliche Angelegenheit gesehen, auch im Sinne der Volksgesund heit – für beide Geschlechter. Schulsport wurde wichtiger. Nach dem Zweiten Weltkrieg waren rund zehn Prozent der Vereinssportler:innen weiblich, 2021 lag die Quote bei knapp 40 Prozent. Als die Disziplin Boxen geöffnet wurde und so zum ersten Mal alle Sportarten für Männer als auch Frauen im olympischen Programm stan den (in London), schrieb man das Jahr 2012. Zwei Jahre darauf wurde Skispringen für Frauen zugelassen. Die Nor dische Kombination hingegen bleibt auch bei Olympia 2026 reine Männersache (und ist zugleich gänzlich vom Aus be droht). Als die ersten geschlech terneutralen Spiele gingen die Olympischen Sommerspiele in Tokio 2021 in die Geschich te ein, fast die Hälfte der Sportler:innen waren Frauen.
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Fußballverein ASK Erlaa Torpedo 03 als Trainerin der U9 tätig. Bereits bei den jüngsten Teams beobachte sie, wie Spieler das Verhalten ihrer männ lichen Trainer übernehmen und mit Körpersprache, Aussagen und Hand lungen zeigen würden, dass Mädchen am Platz nicht immer respektiert wer den. „Nicht selten sind Personen von den Leistungen der Frauen über rascht, untermauern dies mit herab lassenden Kommentaren oder es finden sich reduzierende, verniedli chende oder sexistische Betitelungen in der Berichterstattung wieder.“ Und nach wie vor gebe es Defizite in der Infrastruktur, wie bei geschlechter spezifischer Forschung im Sportbe reich und im an die weibliche Physio logie angepassten Training. Für Sportlerinnen, die Opfer von sexuali
Firmen hätten Sportsponsoring grundsätzlich noch nicht in Erwä gung gezogen oder das Potenzial da hinter erkannt. „Es geht mit so viel mehr einher als nur klassischer Logo platzierung. Wird das in die Kommu nikationsstrategie eingearbeitet, sind die Fernsehübertragungen auch nicht mehr so ausschlaggebend.“ Leder sieht auch in Randsportarten eine große Chance für PR und Sponsoring, da diese deutlich charakteristischer seien. Die Zielgruppe könne gezielter erreicht werden, „dafür muss PR-Ar beit vielleicht einfach neu gedacht werden“. Männliches Budget Viktoria Geresi von der unter ande rem auf Sport spezialisierten Social Mediaagentur ML Marketing verortet die größte Herausforderung in der Schaffung einer inklusiven, gleichbe rechtigten Sportkultur sowie das glei che Niveau in der Außendarstellung. „Wir erleben, dass im Herrensport deutlich mehr Budget zur Verfügung steht, was uns als Agentur mehr Mög lichkeit bietet, dieses umfassend ein zusetzen“, wie sie gegenüber HORI ZONT skizziert. „Gleichzeitig beobachten wir Entwicklungen unter unseren Kunden als auch auf dem Markt, die zeigen, dass der Fokus zu nehmend auf den Frauensport ge richtet wird.“ Als Beispiel führt sie den Fußballverein First Vienna FC 1894 ins Treffen, bei dem ein erheblicher Schwerpunkt auf das Frauenteam in Bezug auf sportliche Förderung sowie Außendarstellung gelegt werde. Im Sponsoring müsse man zu nächst mehr investieren, ohne unmit telbar die gleiche finanzielle Rendite wie im Herrensport zu erzielen, wo Unternehmen aufgrund der größeren Reichweite eher zu höheren Beträgen bereit seien, so Geresi. „Dies führt zu einem Teufelskreis, da geringe Investi tionen nicht zu schnellem Wachstum führen können, was wiederum die Reichweite begrenzt. Dennoch ist an zuerkennen, dass sich der Frauensport in einer positiven Entwicklung befin det, wenngleich er einen großen Rück stand aufholen muss.“ Sexismus am Spielfeld Angesprochen auf Sexismus im Sport, ist zweiterer auch laut Leder von Gleichheit noch weit entfernt. Die Sportmanagerin ist ehrenamtlich im
berichten würden sich nur zwölf Pro zent Frauen wiederfinden. Das globa le Sponsoringvolumen gehe bloß zu 0,4 Prozent an Frauen. Allerdings sieht sie keine Herausforderung im Image der Frau im Sport per se, wie die Sportmanagerin auf HORIZONT Nachfrage meint. Es gelte, Sportlerin nen mit den richtigen Firmen zusam menzubringen, wobei man sich breiter orientieren müsse. „Ich sehe keinen Sinn dahinter, die Frau in ein Konstrukt von veraltetem Sportspon soring zu drängen, das für einen Markt erstellt wurde, als es haupt sächlich von Männern ausgeübten Sport gab.“ Jede Firma habe individu elle Kommunikationsziele, so wie jede Sportlerin individuell sei. Fakt ist: In vielen Sportarten erzie len Männer noch größere Reichwei ten und somit mehr Sponsoring. Bei der von Focus Österreich untersuch ten Frage, was Sportler:innen 2022 „für ihre Marke leisteten“, landeten unter den Top-15 nur vier Frauen, in den Top-10 die Skifahrerinnen Katha rina Liensberger auf der Vier und Mi kaela Shiffrin auf der Acht. Generell liefern sich hierzulande zwei Diszipli nen ein Kopf-an-Kopf-Rennen um Sponsoring-Gelder, das Fußball mit 28 Prozent des investierten Brutto werbewerts knapp für sich entschei det. Der Skisport folgt mit 27,7 Pro zent, Formel 1 mit rund 20 Prozent und der Sprunglauf liegt weit abge schlagen bei 9,6 Prozent. Leder sieht die „Ausrede der gerin gen Zuschauer:innen-Zahlen bezie hungsweise Bekanntheit“ als Hürde. Sie verweist auf Studien, wonach In teresse am Frauensport durchaus ge geben sei, nicht zuletzt untermauert durch Stadien-Besuchszahlen. Viele
Bericht von Nora Halwax S panienistFußball-Weltmeister. Zusatz: im Frauen-Fußball. Im August siegte die spanische Mannschaft der Frauen gegen England, der wohl größte berufliche Erfolg für jede der Spielerinnen. Und doch wird er überschattet von diesem Kuss des spanischen Fußball-Verband schefs Luis Rubiales, den er bei der Siegerinnen-Feier vor aller Welt wie selbstverständlich auf den Mund von Spielerin Jennifer Hermoso presste, gegen ihren Willen. Nach wochenlan gem Widerstand erklärte er letztlich widerwillig seinen Rücktritt. Was bleibt, ist eine weitere Bestätigung dessen, wie selbstverständlich Sexis mus im Sport noch gelebt wird und wie Frauen um Gleichberechtigung und angemessenen Respekt kämpfen müssen. Dabei haben sie bereits einen weiten Weg hinter sich ( siehe rechts ). Gerade im (inter-)nationalen Fuß ball haben Frauen in den vergange nen Jahren immerhin stark an media ler Präsenz gewonnen. Gravierende Unterschiede herrschen aber immer noch beim Preisgeld. Wurden die Männer bei der EM 2021 bereits bei Gruppensiegen in Millionenhöhe be lohnt, bekam das Frauenteam laut der UEFA bei der EM in England 2022 beim Titelgewinn lediglich 660.000 Euro. Der Maximalbetrag der Männer lag bei 28,25 Millionen Euro. Eine YouGov-Umfrage ergab, dass rund zwei Drittel der Deutschen für eine gleiche Bezahlung der National mannschaften beider Geschlechter sind, 17 Prozent sprachen sich dage gen aus. 2021 hatte der europäische Frauen Fußball einen kommerziellen Wert von etwa 116 Millionen Euro. In einem High-Case-Szenario geht die UEFA von einem sechsfachen Wachstum des Werts bis 2033 aus. Der Frauen-Fuß ball soll dann rund 686 Millionen Euro wert sein, wovon etwa 295 Millionen Euro auf Sponsoring fallen sollen. ‚Veraltetes Konstrukt‘ Mit leMove hat Österreich seit diesem Frühjahr die laut Gründerin Kathari na Leder erste Agentur für Spitzen sportlerinnen. Für die PR-Agentur liegt der Fokus auf leistungsbezoge ner Berichterstattung und der Anhe bung des Sponsoringvolumens für Sportlerinnen. In heimischen Sport
Viktoria Geresi von ML Marketing verortet einen erstarkenden Fokus auf Frauensport. © ML Marketing
kommerzieller Wert des europäischen Frauen-FuSSball Aktueller und potenzieller jährlicher kommerzieller Wert des Frauenfußballs in Europa
sierter Gewalt und Belästigung wur den, verweist Leder auf die Vertrau ensstelle vera. Leder zufolge braucht es ein Zu sammenspiel von Sport, Wirtschaft und Medien. „Dass nur zwölf Prozent der österreichischen Berichterstat tung über den von Frauen geführten Sport sind, ist nichts, auf das Öster reich stolz sein kann.“ Wenn man nicht gerade im Ski-Alpin-Segment groß werden wolle, gehe Frau ver mutlich ins Ausland. Als Positivbei spiele in der Geschlechtergerechtig keit führt sie Skandinavien und Island ins Treffen. Ganz allgemein habe Sport in anderen Ländern, wie in den USA, einen deutlich höheren Stellen wert. Im internationalen Vergleich sieht die Sportmanagerin Österreich als „ein Land, das deutlich mehr er reichen könnte, als es das tut“. •
2021 und 2033, in Millionen Euro
Spieltag
Sponsoring
2021
Mediale Rechte
12
69
35
Base-Case-Szenario 2033
105
252
194
High-Case-Szenario 2033
135
295
Sportmanagerin Katharina Leder fordert mehr Berichterstattung und Sponsoringvolumen. © Manuel Kurz
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Quelle: UEFA
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