Traveller 14/2020

Interview

Karl J. Pojer Wir fahren auf Sicht!

Der traveller bat Karl J. Pojer zum Interview, in dem der CEO von Hapag-Lloyd Cruises über die Zeit des Lockdowns, der damit verbundenen Stilllegung der Hapag-Lloyd Flotte und über den Restart-Prozess mit allen notwendigen Veränderungen und Anpassungen erzählt. Seit Ende Juli sind die besten Schiffe der Welt, die EUROPA und EUROPA 2 sowie das Luxus- Expeditionsschiff HANSEATIC inspiration wieder auf See, wenn auch ein Stück weit anders als gewohnt.Was bei den Passagieren aber sehr gut ankommt. Unterm Strich wird aber auch bei Hapag-Lloyd Cruises die Coronakrise ein großes Loch hinterlassen.

traveller: Wie haben Sie die Zeitspanne des Lockdwons und die Stilllegung der Hapag- Lloyd Flotte erlebt? Karl J. Pojer : Zunächst ging es im März darum, alle Passagiere sicher und gesund nach Hause zu holen. Dies ist uns sehr schnell trotz widriger Be- dingungen gelungen. Wir haben danach recht rasch entschieden, dass wir auch die Schiffe nach Hamburg holenwollen und so viele Crewmitglie- der wie möglich wieder nach Hause schicken. Gab es Momente der Verzweiflung – stellt(e) man sich mitunter die Frage, ob und wie die „Reise“ weitergehen kann? Keiner konnte zunächst überblicken, wie lange der Stillstand anhalten wird, keiner konnte die Dimensionen voraussagen. In dieser größten noch nie da gewesenenKrise habenwir alle gelernt, auf Sicht zu fahren. Das ist weder für einen Kapitän noch für ein Management-Team eine einfache und wünschenswerte Situation.

sein können. Wir können uns über ein außeror- dentlich positives Feedback unserer Gäste und Vertriebspartner freuen. DieWeiterempfehlungs- rate der Gäste liegt bei 94 %. Das ist eine erfreuli- che Bestätigung unserer Arbeit.

Wie lautet die Resonanz der Gäste, dass es etwa keine Landgänge gibt?

Wir sind den Neustart bewusst schrittweise und sehr kontrolliert angegangen. In der ersten Phase haben wir uns auf Kurzreisen ohne Landgänge fokussiert. Die Routen waren jedoch stets so ge- wählt, dass Gäste von Bord erlebnisreiche Pano- ramafahrten hatten, wie durch die norwegischen Fjorde, die skandinavischen Schären und Routen, die vor allem nur mit kleinen Schiffen befahren werden können. Nun sindwir in der zweiten Pha- se und bieten auch längere Reisenmit ausgewähl- ten Landgängen an. Diese sind in enger Absprache mit den Häfen und immer abhängig von den ak- tuellen Entwicklungen der Fallzahlen gestaltet. Ist das an sich schon sehr hohe Platz- und Raumangebot proPassagier unddie Kleinheit der Schiffe aktuell DER große Vorteil? Luxus- und Expeditionskreuzfahrten haben schon immer sehr viel Raum pro Passagier und einen sehr persönlichen und individuellen Service ge- boten. Mit einer deutlich reduzierten Passagier- zahl von max. 60 % können Abstands- und Hygi- eneregel noch leichter eingehalten werden. Für die Gäste gibt es kaumEinschränkungen an Bord.

Heimathafen Hamburg wird man sich darob kommendenWinter überhaupt wagenkönnen?

Die Routenplanungen können nur recht kurzfris- tig stattfinden, entsprechend ist dies auch eine großeHerausforderung für die Vermarktung. Aber auch die Gäste agieren momentan kurzfristiger. Somit werden wir in den kommenden Wochen noch die Routen für dieWintersaison veröffentli- chen. Steht zu befürchten, dass es im eingeschränk- ten Fahrgebiet – auch einige große Schiffe ste- chen sukzessive wieder in See – „eng“ wird? Es gibt derzeit nur wenige Kreuzfahrtschiffe, die wieder Reisen anbieten. Wir versuchenmit unse- rer Flotte auch Routen aufzunehmen, die kleinen Schiffen vorbehalten sind und wir zum Beispiel imExpeditionssegment unsere Stärken ausspielen können. Der Umgang mit Viren und Bakterien ist für die Kreuzfahrtunternehmen nicht neu, man ist was Hygiene betrifft, hochsensibel und ge- rade Hapag-Llyod Cruises als absolutes Pre- miumprodukt legt von jeher höchste Maßstä- be auf Hygiene- und Sicherheitsmaßnahmen. Eine Pandemie ist dennoch eine gänzlich an-

Wie viele Reisen mussten bis dato abgesagt werden?

Wir mussten bisher rund 70 Reisen absagen, wei- tere werden vermutlich folgenmüssen. Doch seit Ende Juli befinden wir uns mit dem langsamen Neustart in der Position, dass wir unserenGästen Alternativen anbieten können.

Ist der Verlust bereits zu beziffern?

Ab wann wird wieder die gesamte Flotte un- terwegs sein?

Aufgrund der Zugehörigkeit zumbörsennotierten KonzernkönnenwirhierzukeineAngabenmachen.

Seit Ende Juli sind die Hapag-Lloyd Schiffe wieder auf See. Ist der Restart gelungen und wie fällt Ihr erstes Resümee für ein vorläufig „anderes“ Produkt aus? Unser Neustart ist rundumgelungen und beweist, dass Luxus- und Expeditionskreuzfahrten auch in der neuen Reise-Realität sicher und genussvoll

Wir planen immer anhand der aktuellen Entwick- lungen und hoffen, mit kommendem Frühjahr wieder den regulären Fahrplan aufnehmen zu können. Herausfordernd ist aktuell auch die Routen- planung, vor allem aufgrund der einge- schränkten Flugverbindungen. Wie weit vom

© Hapag-Lloyd Cruises

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