Traveller 14/2020
Interview
Andrea Colonnelli Italiens „andere“ Sommersaison Italien zählt seit vielen Jahren zu den Top-Sellern unter den Sommerurlaubsländern, gerade der Österreicher verbringt seine Sommerferien gerne und oft an den beliebten Badeorten an der Oberen Adria. Das tat er auch im Corona-Sommer und stellt dem beliebten Urlaubsland durchwegs ein sehr gutes Zeugnis aus. Auch wenn das erfolgsverwöhnte italienische Incoming von einemSommer wie „damals“ weit entfernt ist – gerade der Städtereisenbereich liegt auch hier am Boden – kann man unter den gegebenen Umständen mit dem ersten Resümee durchaus zufrieden sein. Der traveller sprach mit Andrea Colonnelli, Leiter ENITWien.
traveller: Wie geht es Italiens Tourismus in dieser verkürzten Sommersaison, können Sie bereits ein erstes Auslastungs-Resümee ziehen? AndreaColonnelli : 2020 ist ein herausforderndes Jahr und ohne Zweifel wurde der kontinuierlich positiveZuwachs des Italientourismus der vergan- genen Jahre durch Corona vorerst gestoppt. Den- noch fällt dieBilanz denUmständenentsprechend besser als erwartet aus. Italien hatte im europäi- schen Vergleich als eines der ersten Länder geöff- nete Grenzen und konnte so bereits ab Juni Tou- ristenausdemAuslandempfangen.Dienördlichen Regionen, traditionell starke Destinationen für Selbstfahrer aus Österreich, konnten vor allem im August gute Ergebnisse verzeichnen, differenzier- ter ist die Situation was die Regionen Süditaliens betrifft,daReiseveranstalterundFluggesellschaften ihr Angebot deutlich reduzierenmussten. Nicht zu vergessen ist, dass Italienüber einenausgeprägten Binnentourismus verfügt und viele Italiener indie- semJahr imeigenen LandUrlaub gemacht haben. Wie stellt(e) sichdie Situation inden beliebten Adria-Badeorten dar? Alles wie immer, halt ein bisschen weniger undmehr auseinander? Der Tourismus an der oberen undmittlerenAdria hat sich vor allem im August zufriedenstellend entwickelt. Unter Einhaltung der Basis-Maßnah- men (Abstand, Maskenpflicht in geschlossenen Räumen und Desinfektion) gab es keinerlei Be- einträchtigung des Urlaubserlebnisses – italieni- sches Lebensgefühl wie eh und je und in diesem Jahr sogar mit mehr Platz. Stichwort Eigenverantwortung: Wie diszipli- niert sind die Gäste hinsichtlich Sicherheits- und Hygienemaßnahmen? Muss mitunter dezent an Abstand halten oder Hände desin- fizierendurchdas Strand- und Sicherheitsper- sonal appelliert werden und wird im Fall der Fälle auch gestraft?
heits- und Hygienemaßnahmen halten. Sollte es notwendig sein, wird da und dort dezent daran erinnert, zumBeispiel amEingang vonGeschäften und Restaurants, dieHände zu desinfizieren oder die Maske zu tragen. Generell hat Italien die Corona-Maßnahmen aufgrundwieder steigender Fallzahlenweiter verlängert. Was gilt für Reisende explizit zu beachten? Grundsätzlich gelten die gleichen Maßnahmen wie seit Beginn: Maskenpflicht in geschlossenen Räumen, wenn der Mindestabstand nicht einge- haltenwerden kann, Desinfektion und Abstands- pflicht. Neu dazugekommen im August ist die Maskenpflicht abends imFreien auf hochfrequen- tierten Plätzen. Diese Regeln gelten vorerst bis 07. Oktober, danach wird neu evaluiert. VeränderndieGäste aufgrundder Coronakrise ihre Ansprüche, Bedürfnisse undErwartungen an ihren Urlaub? Die Erwartungshaltung gegenüber dem Urlaubs- land Italienhat sichdurchdieCoronakrise unseres Ermessens nach nicht grundlegend geändert – wenn überhaupt ist der Urlaub ein noch kostba- reres Gut geworden. Wer nach Italien fährt, sucht Kultur, Strandleben, Erholung und das typisch italienische Lebensgefühl – dies findet er nachwie vor, derzeit sogarmitmehr Platz und in entspann- terer Atmosphäre, wie etwa in den Kunststädten. Wir beobachten aber, dass verstärkt auchDestina- tionen abseits der klassischen Routen gesucht werden, was nicht zuletzt der schon vor Corona eingeschlagenen Strategie der Italienischen Zen- trale für Tourismus entspricht, auchdas unbekann- te Italien stärker in den Vordergrund zu rücken In Anbetracht einer bevorstehenden zweiten WelleimHerbst,welcheErwartungenundHoff- nungen kannman an die Nebensaison haben?
ben. Italien ist gut vorbereitet, dieGästemit seinem 360 Grad-Angebot zu empfangen und bietet ge- rade jetzt eine einmalige Gelegenheit, die Kunst- städte zu besuchen. Da die Touristen aus den Überseemärkten derzeit fehlen, können die euro- päischenGäste Italiens Städte aus einemanderen Blickwinkel betrachten, entspannter und nach- haltiger. Der Städtetourismus ist allerorts einge- schränkt, viel darf man sichwohl vomHerbst, der traditionellen Städtereisenzeit, aufgrund der geradewieder stark steigenden Fallzahlen nicht erwarten? Der Herbst ist die klassische Saison für Städterei- sen und wir hoffen sehr auf eine Rückkehr der Touristen in die Kunststädte, welche vomAusblei- ben internationaler Gäste am stärksten betroffen sind. Eine große Bedeutung kommt in diesem Zusammenhang denBusreiseveranstaltern zu und wir hoffen natürlich auf eine Erholung dieses Seg- ments.
Wie muss man sich aktuell Besichtigungen, etwa des Kolosseums, vorstellen?
Wir sind ausgesprochen dankbar dafür, wie ver- antwortungsvoll sich unsere Gäste an die Sicher-
Die Situation ist sehr dynamisch, insofern ist es schwierig, eine Prognose für den Herbst abzuge-
Alle Sehenswürdigkeiten in Italiens Städten sind derzeit geöffnet. Eine Online-Reservierung ist bei
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