Horizont 36-37/2023
10 Marketing
HORIZONT № 36-37
Christina Mutenthaler-Sipek, seit Jahresbeginn neue Geschäftsführerin AMA-Marketing, kämpft gegen schlechtes Image und für Tierwohl – und will mit neuer Kampagne den Wert von Lebensmitteln ins Bewusstsein bringen. Plus: Wie die AMA zum Kommunikationshaus werden soll. ,Die bekannteste Lebensmittelmarke im Land‘
Interview von Martin Wurnitsch
Preis/Aktionen aktuell wichtiger als Qualität Achtet eher auf die Qualität Achtet eher auf den Preis/Aktionen Angaben in Prozent
Horizont: Sie stellen erstmals den Wert von Lebensmitteln in den Mit telpunkt einer Kampagne – und das in einem extrem preisbewussten Markt. Wieso dieser Switch? Christina Mutenthaler-Sipek: Die Konsument:innen sind derzeit extrem preissensibel. Es wird ver mehrt in Aktionen gekauft, jeder drit te Euro geht in Aktionsartikel und über 44 Prozent des Frischfleisches werden in Aktion gekauft. Das zeigt auch unsere Marktforschung. Jahre lang war das Thema Qualität den Menschen wichtiger, seit heuer än dert sich das. Der Preis ist entschei dend beim Einkauf, der eigentliche Wert oder auch die Frage nach der regionalen Herkunft werden im Mo ment vernachlässigt. Über diese macht man sich weniger Gedanken. Mit Hilfe der Kampagne wollen wir als Gegenpol dazu den Wert von Lebensmitteln in den Mittelpunkt stellen. Landwirtschaft ist nicht selbstver ständlich und muss erhalten bleiben. Es geht etwa um die Zusammenhänge zwischen Naturlandschaft und Tou rismus: Wenn keine Grünlandwirt schaft mehr möglich ist, dann haben wir auch keine schöne Kulturland schaft, keine Almen mehr. Es geht um dörfliche Strukturen, Regionalität, Nachhaltigkeit, Saisonalität – bis hin zum Ernährungswert. Und all das streichen wir in der Kampagne her aus, unter dem gemeinsamem Slogan „Das hat einen Wert“. Ein komplexes Thema. Wie transportieren Sie das in der Kampagne?
Christina Mutenthaler-Sipek , gelernte Touris mus- und Marke tingmanagerin, war vor ihrem Wechsel zur AMA in der NÖ Energie- und Umweltagentur. © AMA / Michael Sazel
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Quelle: RollAMA Motivanalyse April 2023 / AMA-Marketing
Die AMA-Marketing hat ihr Spielfeld erweitert. Nicht mehr nur Milch- und Fleischprodukte stehen im Mittelpunkt? Dank des neuen AMA-Gesetzes von Jänner ist es uns nun auch möglich, Getreide zu promoten. Wir werden also das erste Mal wirklich pro duktübergreifend agieren können. Dass wir das bisher nicht durften, war ein Punkt, den Konsument:innen nie wirklich verstanden haben. Wir haben nicht auf Schau spieler:innen zurückgegriffen und hatten auch kein Drehbuch im klassi schen Sinn. Wir wollen den Konsument:innen auf authentische Art und Weise den Wert von Lebens mitteln näher bringen. Heimische Bäuerinnen und Bauern sprechen deshalb darüber, welchen Wert ihre Produkte und ihre Arbeitsweise ha ben. Wir arbeiten sehr stark mit Story telling – und das vor allem mit Blick auf die Verwertung in Social Media. Die Kampagne insgesamt legt erst mals klar den Fokus aufs Digitale. Und sie ist langfristig geplant. Wir ha ben Material für rund zwei Jahre ge sammelt. Kann die AMA-Marketing mit ihren beschränkten Mitteln – rund zwölf Millionen Euro Mediabudget – hier tatsächlich einen Bewusst seinswandel herbeiführen? Der Lebensmittelhandel verfügt über mehrere hundert Millionen Euro an Werbebudget. Unsere Stärke ist sicher unsere Unab hängigkeit. Wir sind nicht gewinnori Welche war die kreative Idee hinter der Kampagne?
entiert ausgerichtet. Wir verfügen über ein starkes Gütesiegel mit einer Bekanntheit von über 90 Prozent. Das AMA-Gütesiegel ist – wenn Sie so wol len – die bekannteste Lebensmittel marke im Land. Aber wir müssen auch auf unsere Partner – die Produ zenten und den Lebensmittelhandel – setzen. Eine Änderung des Bewusst seins können wir nur gemeinsam be wirken. Sie setzen – wie erwähnt – erstmals stark auf Digital, aber nicht auf TikTok? Bislang haben wir rund zehn Prozent unseres Budgets in diese Kanäle in vestiert, jetzt bewegen wir uns zwi schen 35 und 40 Prozent. Wir bespie len alle Social Media-Kanäle von LinkedIn bis Instagram, aber nicht TikTok. Das hängt auch mit dem Tik Tok-Verbot in heimischen Behörden zusammen. Wie erreichen Sie denn die unter schiedlichen Zielgruppen, welche Strategie fahren sie? Als AMA-Marketing wollen wir als Kommunikationshaus auftreten. Wir haben einerseits die klassischen Me dien als Partner, setzen andererseits auf eigene Veranstaltungen wie das Genussfestival im Wiener Stadtpark. Bei letzterem geht es – um das Bei spiel der Erlebnisstationen dort zu nennen – um persönlich erlebte Ge schichten, die den Konsument:innen viel stärker im Bewusstsein bleiben. Und wir planen in Zukunft auch Bil dungsmaßnahmen, etwa Webinare für Konsument:innen, die sich mit der Lebensmittelproduktion ausein andersetzen.
Haben die jüngeren Zielgruppen bereits ein anderes Bewusstsein für den Wert von Lebensmitteln im Vergleich zur älteren Generation? Das bemerken wir eindeutig. Die ein gangs erwähnte Preissensibilität ist eher bei der Generation 60+ gegeben. Die Jugend hat insgesamt ein ganz anderes Verhältnis zu Lebensmitteln. Bei ihr zählen Themen wie Tierwohl und Nachhaltigkeit. Stichwort Tierwohl – wird das der nächste Megatrend im Lebensmit telbereich? Es gibt hier eine Diskrepanz. 87 Pro zent der Österreicher:innen beteuern in Umfragen, dass ihnen Tierwohl wichtig ist, die Absatzzahlen spre chen allerdings eine andere Sprache: Hier halten wir bei knapp sechs Pro zent im Fleischbereich. Sozial er wünschte Antworten und tatsächli ches Handeln liegen noch weit auseinander. Unser Ziel ist es jeden falls, im Jahr 2030 eine von zwei Milli onen Gütesiegel-Schweinen in Tier wohlprogrammen zu haben (Anm.: In Österreich werden derzeit rund vier Millionen Schweine gehalten) . Wie steht Österreich im internati onalen Vergleich da, was Bio und Tierwohl betrifft? Wir sind in der Produktion einerseits Bioweltmeister, andererseits könnte die Bevölkerung noch weit stärker Wert auf qualitätsvolle Lebensmittel legen. Qualitätsbewusstsein ist des halb – wie es früher die Herkunft war, aber die ist durch – eines unserer gro ßen Themen. Damit einher geht eine Art Gesamtstrategiewechsel der AMA Marketing. Wir wollen Taktgeber sein bei den Themen Nachhaltigkeit und Tier
wohl – das müssen wir als AMA-Mar keting noch stärker wahrnehmen und leben, genauso wie die Land wirtschaft. Das Positive daran ist, dass viele Landwirte es ja längst tun. Der zweite Schwerpunkt ist, dass wir als Kommunikationshaus auftreten wollen und mit all unseren Stakehol dern – also etwa Landwirten, Verar beitungsbetrieben und dem Handel – kommunizieren. Auch das Thema Kontrolle ist im Zuge einiger Vorfälle in der Tierhaltung ein weiterer wich tiger Punkt. Als Ausdruck dieses Stra tegiewechsels werden wir in Kürze für die AMA-Marketing, die ja gerne mit der AMA selbst verwechselt wird, eine eigene Unternehmensmarke präsentieren. Wortsinn unter Kontrolle bringen? Wir haben seit den Vorfällen tatsäch lich ein Thema mit der Glaubwürdig keit, die sich aber langsam wieder verbessert. Unser Prinzip ist klar, „Null Toleranz gegenüber Gesetzes brüchen und Richtlinienverstößen“. Tiere müssen gut und ordnungsge mäß behandelt werden, Streichelzoo ist die Landwirtschaft aber dennoch keiner. Da darf man sich keine Illusi onen machen. Jedenfalls haben wir sehr viele Maßnahmen gesetzt, um solche Vorfälle zu verhindern, etwa die unangekündigten Kontrollen um zehn Prozent erhöht. Wir arbeiten mit schärferen Sanktionen, setzen Prä ventionsmaßnahmen und werden eine Kontrolldatenvernetzung imple mentieren. Wir wollen den Konsument:innen ganz klar zeigen, dass wir alles transparent darstellen und nichts zu verbergen haben. • Das Image der AMA ist durch die erwähnten, medial stark gespielten Skandale in der Tierhaltung belastet. Wir arbeiten Sie dem entgegen, wie wollen Sie das im
,Das hat einen Wert‘
In der diesen Freitag startenden, neuen Kampagne der AMA-Marketing werden die Leistungen der Landwirt:innen in den Mittel punkt gerückt, sie selbst spielen die Haupt rolle. Produziert wurden Bilder und Filme auf authentischen, landwirtschaftlichen Familienbetrieben, die Protagonist:innen selbst erhielten nur eine Textstruktur und interpretierten die Texte dann auf ihre Weise. Die Idee dahinter: die Landwirt:innen bei ihrem Tagesablauf zu begleiten. „Das hat einen Wert“ läuft vorerst nahezu durchgängig bis Ende des Jahres in TV, Kino, Social Media, in OOH und im Radio. Bei der Umsetzung der Kampagne waren neben der AMA-Marketing mehrere Agenturen betei ligt: Havas Media (Mediaplanung), Havas Creative (Konzept & Produktion), Heimat Wien (Social Media), DDB (Online Aktivie rung) und Overlap (Websitemanagement). Die Media-Spendings betragen bis Jahres ende rund vier Millionen Euro. Der Schwer punkt liegt mit 57 Prozent des Budgets auf Bewegtbild (TV und Online). Zu sehen sind die Spots sowohl im ORF als auch auf den Privatsendern. Die Nettoreichweite der Kampagne beläuft sich laut AMA-Marketing auf 83 Prozent.
In der neuen Kampagne der AMA-Marketing spielen die Landwirt:innen buchstäblich die Hauptrolle. © AMA-Marketing
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